Internet 4.0 - Chance oder Gefahr ?

12. Mai 2017
Internet 4.0 , das Internet der Dinge , die digitale Revolution , Lieferservice 2.0 , Gamification ………. schon seit einiger Zeit überbietet sich die Industrie resp. die Wirtschaft mit Schlagwörtern, welche suggerieren, dass, wer nicht blitzartig den neuen Möglichkeiten / Versuchungen folgt, in Kürze vom Markt verschwinden wird. Ist dem wirklich so oder arbeitet hier wieder einmal eine perfekte Werbemaschine ?

In meinen Ausführungen geht es mir nicht darum, die neuen Möglichkeiten zu verteufeln oder gar ins Lächerliche zu ziehen, jedoch hilft sehr oft ein Blick auf die neuen Möglichkeiten mit einer Prise ‘gesunder Menschenverstand’, die Zukunft sachlicher und ruhiger anzugehen.

Woher kommen wir ?
Alles was heute mit IT-Geräten möglich ist, basiert letztendlich auf Rechenmaschinen. Es dauerte gut 100 Jahre von der Erfindung der analytical engine von Babbage/Lovelace bis zum Einsatz des ersten kommerziellen Rechners von Zuse. Erst mit dem Einsatz von neuen Materialien und der Erfindung neuer Techniken in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts setzte die Miniaturisierung ein , welche es erlaubt, ganz neue Anwendungsgebiete für die ‘analytical engines’ zu erschliessen. Es ist auch so, dass die technischen Neuerungen sich heute viel rascher folgen als noch zu Ende des 20. Jahrhunderts, aber ist es wirklich so, dass die Maschine den Menschen ersetzen wird ?

Viele Neuerungen, nicht nur in der Informations Technologie, haben ihren Ursprung (so traurig das ist) in militärischen Anwendungen. Schon in den 1980iger Jahren hatte das amerikanische Militär selbststeuernde und selbstschiessende Panzer. Vollgestopft mit Kameras und Rechnern konnten diese Dinger fremdes Territorium durchqueren und mit den aktuellen Aufzeichnungen Freund und Feind unterscheiden und entsprechend schiessen. 40 Jahre später ist die ganze Elektronik von damals miniaturisiert und sicher auch rechenleistungsfähiger als damals, aber zum Glück wurden diese Dinger noch nie in einem Ernstkampf eingesetzt. Solche Projekte haben aber sicher zur Entwicklung von neuen Möglichkeiten in der Wirtschaft oder Gesellschaft beigetragen. So hat ein grosser Teil dieser Neuerungen den Weg in zivile Anwendungsgebiete gefunden.

Die Informationstechnologie kommt aus den ‘Kinderschuhen’

Eines dieser Anwendungsgebiete, in dem dank den Entwicklungen der Informations Technologie grosse Fortschritte erzielt wurden ist die Medizin. Viele neue Untersuchungs- und Operations-Methoden und -Möglichkeiten wären ohne die Errungenschaften in der IT nicht möglich. Was jedoch nicht vergessen werden darf : bei jedem Einsatz von IT in der Medizin sitzt irgendwo ein Mensch, welcher die eingesetzten Mittel steuert und ……. entscheidet.

Auch in der Industrie ist IT fast nicht mehr wegzudenken. Die Autoindustrie hat heute ein so hohes IT unterstütztes Niveau in der Fertigung erreicht, dass Produktionszeit, Variabilität und Qualität extrem gesteigert werden konnten – dank Robotern und voll automatisierten Lieferketten.

Auch in anderen Industrien sind neue Fertigungs- und Optimierungsmethoden implementiert worden, welche es erlauben ein Produkt am System zu entwickeln, von Maschinen fertigen zu lassen und mit den digitalen Rückmeldungen aus dem Praxiseinsatz laufend zu optimieren. Solche Teile können schon heute zum Teil mit 3d Druckern hergestellt werden, d.h. die Produktion könnte bis zu einem gewissen Grad sogar ortsunabhängig werden. Auch hier ist zu beachten, dass mehr als 20 Jahren nach der Ankündigung der ersten 3d Drucker gewisse Teile nicht hergestellt werden können, weil der Erstellungsprozess zu komplex ist oder die Materialien sich für den 3D Druck nicht eignen.

Die digitale Entwicklung zieht momentan auch in den tertiären Sektor ein; dies ist nicht überraschend und sie wird diesen Bereich auch nicht auf den Kopf stellen. Solche ‘Anpassungen’ hat es auch in den vorangegangenen Dekaden immer wieder gegeben; man hat sie anders eingeschätzt, wahrgenommen und sie wurden auch weniger dramatisch medial begleitet.

Auch gesellschaftlich werden wir immer mehr mit IT-unterstützten Alltagsaktivitäten konfrontiert. Das hat schon mit den ersten Ticketautomaten in den öffentlichen Verkehrsmitteln über den Bargeldbezug aus den Bancomaten angefangen und wird sich über die neuen Scanning- und Bezahlmöglichkeiten beim Einkauf fortsetzen auf weitere Alltagsbereiche.

Trotz all dieser neuen ungeahnten Möglichkeiten haben schon viele Anbieter gemerkt, dass für sie eine Grenze erreicht sein wird, wenn sie nicht in der Lage sind, den Menschen / Kunden wieder emotional und mit Servicemöglichkeiten ‘in Fleisch und Blut’ abzuholen.

Was bedeutet dies nun für den Unternehmer ?

Auch  in der Vergangenheit durfte der Unternehmer die Augen für neue Entwicklungen nicht verschliessen. So haben Unternehmen neue Entwicklungen verschlafen und sind vom Markt verschwunden; mit ihnen auch sehr oft assoziierte Firmen, welche zu stark rückwärts gerichtet waren. Bis heute sind Firmen erfolgreich, welche den Glauben und die Kraft hatten, sich von innen her zu entwickeln, und nicht einfach irgendwelchen neuen ‘Propheten’ fast blind gefolgt sind, nur weil diese am Lautesten schrien und den Weltuntergang vorhersagten.

Weshalb ich dies relativ pragmatisch sehe ? Bis heute haben die wenigsten Unternehmen, welche mit Risikokapital Unternehmenswerte in schwindelerregende  Milliardenhöhen katapulierten, schwarze Zahlen geschrieben, und sie werden es auch in absehbarer Zeit nicht so schnell machen ! Dieser Irrsinn hält nur an, solange die wichtigsten Zentralbanken dieser Welt diesen fatalen Geldsegen weitertreiben und damit die Finanzmärkte weiterhin verrücktspielen lassen.

Die notwendigen Hausaufgaben machen

Was sicher getan werden muss, ist die Unternehmens-Prozesse noch stärker zu automatisieren, repetitive Aufgaben konsequent Maschinen zu überlassen und Unnötiges über Bord zu werfen. Heute gibt es viele Standards, welche es erlauben, intelligente Maschinen einzusetzen, Prozesse durchgängiger zu machen, und somit Kapazität zu schaffen, welche auf substanziell wertschöpfendere Aktivitäten eingesetzt werden können.

Wie schon immer bei solchen Erneuerungen, gab es vermeintliche ‘Verlierer’; dieses Gefühl blieb meistens haften, weil die Gedanken vieler Menschen rückwärtsgerichtet waren. Natürlich fällt es nicht allen Menschen gleich leicht, sich neuen Herausforderungen zu stellen. Es ist verständlich, dass man den Besitzstand erhalten will, egal auf welcher Stufe in der Gesellschaft und in welcher Kultur man lebt. Vielleicht sind neue Formen der Arbeit und des Lebens zu finden, um  überzeugt und zuversichtlich in die Zukunft zu gehen. Dieser Aspekt wird momentan zu wenig beachtet, wenn neue Technologien sowohl in Unternehmen wie in der Gesellschaft Einzug halten. Es ist zugleich nicht nur Aufgabe der Unternehmen und der Gesellschaft, sondern jedes Einzelnen, sich mit den neuen Herausforderungen des Lebens auseinanderzusetzen. Dieser Prozess mit sich selbst besteht immer aus loslassen von Bestehendem/Liebgewordenem und annehmen von Neuem/Unbekanntem. Wenn die technologische Erneuerung und die ‘emotionale Erneuerung’ Hand in Hand gehen, dann ist das Internet 4.0 keine Gefahr, sondern eine Chance und lediglich ein weiterer Schritt im Wandel der Welt.


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